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Der Beckenboden und seine „Auftraggeber“

Geschätzte Lesedauer: 4 Minuten

Der Beckenboden wird in der Schwangerschaft und bei der Geburt stark belastet. Was muss ich über meinen Beckenboden wissen und was tun für einen gesunden Beckenboden?

Unser Beckenboden ist meist ein Bereich, der uns nicht besonders beschäftigt – bis wir Kinder bekommen. Das hat seine Gründe. Denn diese Muskelregion, die unser Becken nach unten schließt, erlebt in dieser Zeit eine recht große Herausforderung.

Belastung in der Schwangerschaft und bei der Geburt

Die Schwangerschaftshormone haben den Beckenboden weicher gemacht, was sehr sinnvoll ist, um die Geburt zu erleichtern. Unser knöchernes Becken ist unten nicht geschlossen. Nur der Beckenboden verbindet unten wie eine Schale oder wie ein muskuläres Trampolin unsere Beckenknochen. So trägt das Gewebe des Beckenbodens auch das mit, was darüber liegt.

Während der Schwangerschaft gibt es  hier eine Menge zu tragen:

Die Gebärmutter hat im Laufe der Monate bis zu 1,4 Kilogramm Gewicht zugelegt und das Gewicht von Fruchtwasser, Plazenta und Baby kam noch hinzu. Wenn du eine vaginale Geburt hattest, dann hat sich der Beckenboden bei der Geburt stark geweitet und eventuell eine Verletzung und Naht davongetragen.

Wenn du einen Kaiserschnitt hattest, fiel diese Dehnung weg. Aber auch dein Beckenboden wurde durch die Traglast und den Druck in der Schwangerschaft beansprucht.

Daher: nach einem Kaiserschnitt freuen sich dein Beckenboden und die Nerven in der Region über Zuwendung!

Wo liegt der Beckenboden?

Wir können ihn von außen spüren, wenn wir uns selbst im Schritt berühren: Legen wir dort unsere Hand auf, dann spüren wir Knochen und weicheres Gewebe. Das weichere Gewebe ist der Beckenboden – aber nur seine unterste Partie. Denn er kleidet im Inneren des Beckens die Knochen innen fast kelchartig ein Stück weit nach oben aus. Wir können ihn uns wie ein muskuläres „Trampolin“ vorstellen oder auch wie ein auf dem Kopf stehendes Kuppelzelt.

Woraus besteht er?

Die Faszienforschung hat inzwischen einen großen Anteil von Fasziengewebe unter den Beckenbodenzellen gefunden. Der Beckenboden besteht also im Wesentlichen aus Muskel- und Fasziengewebe.

Wie funktioniert der Beckenboden?

Nach der Geburt lernen wir in der Rückbildung viele gute Übungen, die den Beckenboden kräftigen sollen. Ein gut trainierter Beckenboden ist eine feine Sache. Wichtig ist jedoch, sich kurz mal klar zu machen, wie diese Region funktioniert: Er sorgt mit dafür, dass wir in allen Lebenslagen „dicht“ sind. Wir wollen in der langen Schlange vor dem Damen-WC im Theater durchhalten können. Wir wollen auch nach einer Geburt irgendwann wieder problemlos niesen, husten, tanzen, rennen oder hüpfen können, auch wenn als Mama vielleicht Trampolinhüpfen nicht mehr unbedingt sein muss! Und wir wollen uns wohlfühlen: beim Sex und im Alltag. Auf keinen Fall wollen wir hier immer wieder unangenehme Gefühle oder sogar Schmerzen haben! Gar nicht so selten empfinden jedoch Frauen Wochen und Monate nach der Geburt noch hin und wieder unangenehmen Druck in der Scheidenregion, haben Fremdkörpergefühle oder manchmal sogar Schmerzen. Zeigen sich diese Symptome, liegen die Ursachen oft gar nicht beim „schwachen Beckenboden“. Hier können Geburtsverletzungen eine Rolle spielen oder auch Senkungen im Vaginalbereich.

Die Steuerung des Beckenbodens

Genauso wie jedes andere Muskelgewebe wird der Beckenboden von Nerven gesteuert. Die Nerven sind seine Auftraggeber, man könnte auch sagen: Die Nerven sind der „Chef“. Das bedeutet: Beim Beckenbodentraining klappt es mit dem Anspannen nur dann gut, wenn die Nerven fähig sind, ihm unsere Absicht richtig mitzuteilen. Das Durchhalten bis zur nächsten Autobahnraststätte oder das stressfreie Niesen, Husten oder Hüpfen wird nur dann gelingen, wenn die Nerven ihre Arbeit gut machen.

Bestimmte Nerven sorgen dafür, dass der Beckenboden zum Beispiel beim Niesen in ein paar Mikrosekunden die Spannung erhöht und so fürs „Dichtbleiben“ sorgt. So lange alles gut funktioniert,  müssen wir darüber auch nicht nachdenken – unser Denken wäre viel zu langsam. Der Körper reguliert das ganz von selbst. Zumindest hat das vor der Schwangerschaft meist gut geklappt.

Die willentliche und die unwillkürliche Steuerung werden also von den Nerven geleistet. Der Beckenboden selbst ist sozusagen „willenlos“. Ohne den Auftrag der Nerven tut er einfach nichts.

Die Nerven, die den Beckenboden steuern

Manche dieser Nerven-Chefs haben im Laufe der Schwangerschaft und Geburt einigen Druck abbekommen. Das führt dazu, dass sich das Gewebe rund um den Nerv herum verfestigt und der Nerv nicht mehr ganz frei ist. Dann funktioniert so ein Nerv schlechter. Das heißt, er steuert zum Beispiel den Beckenboden ein wenig langsamer –  und beim Niesen verlieren wir ein paar Tropfen oder unsere Blase (die Blasenwand ist ein Muskel) entleert sich nicht mehr so vollständig wie zuvor. Zudem kann es passieren, dass unser Gefühl für die Region – bei Übungen, aber auch beim Sex – nachlässt.

Rückbildung ist essenziell

Ein guter Rückbildungskurs unterstützt mit gezielten Übungen, dass auch die steuernden Nerven wieder von Druck befreit werden und gut funktionieren! Wenn du nicht nur vorbeugend zur Rückbildung gehst, sondern ein paar der genannten Symptome hast, dann reicht es leider nicht aus, einmal pro Woche einen Kurs zu besuchen. Regelmäßiges Üben zu Hause ist nötig und bringt den Effekt.

Es wäre gut, mindestens dreimal pro Woche zu üben – natürlich gerne auch häufiger!

Denn leider unterstützt der typische Mama-Alltag im Babyjahr die Regeneration nicht. Ganz im Gegenteil: Das Tragen des Babys, der Einkaufstaschen, das Tragen von Baby-Autositz oder Kinderwagenaufsatz et cetera lassen wiederum regelmäßig eine Menge Druck im Genitalbereich entstehen. Dein Baby ist irgendwann auch kein „Fliegengewicht“ mehr.

So manche Mama muss ihr zehn Monate altes Baby noch viel herumtragen und wuppt damit täglich das Gewicht eines Tourenrucksacks. Die Hormone kommen uns hier nicht unbedingt zu Hilfe: Durch hormonelle Veränderungen wird das Gewebe erst ca. ein Jahr nach der Geburt wieder deutlicher in Richtung „Straffung“ unterstützt.

Viele Frauen brauchen also sowohl klassisches Beckenbodentraining als auch Übungen zur Nervenbefreiung oder zur Verbesserung der Lage der Organe.

Egal wie eine Rückbildung oder eine Therapie konzipiert ist: Man braucht immer Zeit und etwas Geduld, bis der Effekt spürbar wird.

Heidi Haug-Schopf

Wichtig zu wissen:

Wenn du nach der Rückbildungsphase noch Beschwerden hast – ganz egal ob Urinverlust, Schmerzen im Genitalbereich nach Belastungen oder deutliche Druckgefühle im Scheidenbereich – kannst du dir Physiotherapie verordnen lassen. Du kannst zu einer individuellen Behandlung durch eine spezialisierte Physiotherapeutin gehen.

Hier kann sehr genau und individuell auf deine Beschwerden eingegangen werden und ein Übungsprogramm speziell für diese Themen entwickelt werden. Manchmal empfiehlt die Physiotherapeutin ergänzend zur Therapie ein Gerät zum täglichen Beckenbodentraining zu Hause. Manche Therapeutinnen beziehen Methoden der manuellen Behandlung bei der Therapie mit ein, was den Effekt sehr unterstützen kann.

Tipp

Weitere Infos zum Thema gesunder Beckenboden findest du auch in diesem Artikel der Apothekenumschau.

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