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Stoffwindeln oder Einwegwindeln

Stoff- und Einwegwindeln
Geschätzte Lesedauer: 6 Minuten

Eine große Mehrheit der Eltern verwendet Wegwerf- oder Einwegwindeln. Viele sogar ohne sich jemals mit dem Konzept Stoffwindel oder windelfrei befasst zu haben. Wird das den Stoffwindeln gerecht? Oder sollten wir der Umwelt zuliebe doch umsteigen? Die Vor- und Nachteile zusammengefasst.

Bei der Frage ob Einweg- oder Stoffwindeln besser für die Umwelt sind, scheiden sich die Geister. Eine richtig belastbare Studienlage gibt es nicht. Eine britische Studie attestierte vor einigen Jahren, dass es in Sachen Ökobilanz keinen klaren Sieger gibt. Allerdings ging diese Studie vom Worst Case für Stoffwindeln aus, nämlich einer alten, wenig energieeffizienten Waschmaschine, Trocknernutzung und der Annahme, dass das Kind mit 2,5 Jahren bereits komplett windelfrei ist. Davon ausgehen, wäre anzunehmen, dass unter Voraussetzung einer energieeffizienten Waschmaschine, Verzicht auf Trockner und Nutzung der Stoffwindeln für mehrere Kinder, diese deutlich besser für die Öko-Bilanz sind.

Neben Stoff- und Einwegwindeln gibt es natürlich auch noch die Alternative ein Kind komplett windelfrei großzuziehen. Ich habe mit Expert:innen gesprochen und Fakten zu den verschiedenen Alternativen gesammelt.

Einwegwindeln

Einwegwindeln sind, wie der Name sagt, nur für den einmaligen Gebrauch gemacht. Wenn die Windel nass ist oder ein Häufchen drin ist, wird sie entsorgt. Sie sind insofern praktisch, als dass sie ziemlich auslaufsicher, einfach zu handhaben und überall erhältlich sind.

Einwegwindeln gibt es in unterschiedlichen Formen, Ausführungen und Designs. Siehe hierzu auch unsere Windel-Marktübersicht Teil 1 und Teil 2.

Die größten Unterschiede in der Ausführung sind die „normalen“ Windeln mit Klebeverschluss im Vergleich zu Pants, welche wie eine Unterhose von unten angezogen werden.

Betrachten wir Stoff- und Einwegwindeln unter den Aspekten Kosten, Gesundheit & Wohlbefinden und Umweltverträglichkeit, lässt sich zu den Einwegwindeln folgendes sagen.

Kosten von Einwegwindeln

Es gibt ein sehr große Bandbreite an Herstellern, Marken und Produkten, sodass auch die preisliche Bandbreite sehr stark variiert. Von 0,09 Euro/Windel bis 0,50 Euro/Windel ist alles dabei. Je nachdem welche weiteren Kriterien einem wichtig sind (z. B. nachhaltige Produktion), desto teurer sind die Windeln.

Je nach Rechenmodell und abhängig von vielen Faktoren wie der Dauer der Windelnutzung, ob du ein oder mehrere Kinder hast etc. sind Einwegwindeln teilweise günstiger als die Stoffwindel-Alternative.

Gesundheit & Wohlbefinden

Einwegwindeln enthalten Kunststoff und Stoffe, die potenziell die Babyhaut reizen können. Allerdings sind die meisten Windeln dermatologisch geprüft oder weisen entsprechende Siegel vor. Viele Hersteller bieten inzwischen auch „pure“-Linien an, um insbesondere sensible Babyhaut mit pflanzenbasierten Inhaltsstoffen noch besser zu schützen.

Umweltverträglichkeit

Wie bereits erwähnt, enthält eine Einwegwindel recht viel Kunststoff und teilweise in der Herstellung sehr energie-intensive Werkstoffe.

Grafik: Die typischen Komponenten und Inhaltsstoffe einer Windel – Quelle: Umweltbundesamt (Öko-Institut)

Weiterhin produzieren Einwegwindeln sehr viel Müll. Nichtsdestotrotz gibt es auch hier Hersteller, die ihren ökologischen Fußabdruck reduzieren wie beispielsweise LILLYDOO mit seiner GREEN-Linie. Hierzu wird nicht nur auf unnötiges Plastik verzichtet, sondern über die Initiative Plastic Bank dazu beigetragen Plastik aus der Umwelt einzusammeln.

Stoffwindeln

Ich muss gestehen, ich habe mir gar nie die Frage gestellt, ob Stoffwindeln für mich eine Alternative wären. Für mich war irgendwie immer klar, dass ich Einwegwindeln nehmen würde. Nachdem ich für diesen Beitrag recherchiert habe, frage ich mich, warum eigentlich?

Melanie Blomeier, zweifach-Mama und ehemalige Inhaberin von Ökopo – Stoffwindelberatung in Stuttgart sieht drei große Vorteile in der Nutzung von Stoffwindeln:

Kosten von Stoffwindeln

Die Anschaffungskosten von Stoffwindeln für die gesamte Wickelzeit liegen zwischen 300-500 Euro (je nach Marke und Zustand). Gemäß eines Artikels der Süddeutschen Zeitung benötigt ein Baby zwischen 4.000 und 6.000 Windeln, bis es trocken ist. Wenn wir vom günstigsten Preis mit 0,09 Euro/Windel (Babydream von Rossmann) ausgehen, liegen wir hier bei einem Preis von 360-540 Euro. ACHTUNG: das ist wirklich der absolute Best Case. Bei Premiumwindeln wie LILLYDOO (0,29 Euro/Windel) steigt der Preis auf 1.160-1.740 Euro an.

Natürlich müssen bei Stoffwindeln noch die Waschkosten addiert werden. Diese belaufen sich gemäß Melanie Blomeier von Ökopo auf rund 288 Euro über die gesamte Nutzungsdauer von drei Jahren (zwei Windelwäschen pro Woche).

Kalkulieren wir dann damit, dass die Windeln noch von einem zweiten oder gar dritten Kind genutzt werden und/oder nach dem Ende der Wickelzeit wiederverkauft werden, ist die Alternative Stoffwindeln definitiv die günstigere Variante.

Gesundheitlicher Vorteil von Stoffwindeln

Stoffwindeln sind frei von chemischen Kunststoffen, Duftstoffen und enthalten kein Erdöl. Durch das breitere Wickeln können sie sich außerdem positiv auf die Hüftentwicklung auswirken.

Durch Stoffwindeln behalten die Kinder ein besseres Gespür für ihre Ausscheidungen und werden dadurch in der Regel früher trocken.“

– Melanie Blomeier, ehemalige Stoffwindelberaterin aus Stuttgart

Ökologischer Fußabdruck

Oben genannte 4.000-6.000 Wegwerfwindeln über die Nutzungszeit eines Kindes machen etwa eine Tonne Müll aus. In manchen Gemeinden entspricht dies gemäß Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) rund 10 % des Restmülls aus.

Neben dem produzierten Müll spielt natürlich auch die Herstellung eine Rolle für den ökologischen Fußabdruck. Gemäß eines Hintergrundberichts des Umweltbundesamts zur Vergabe des Zeichens „Blauer Engel“ für Einwegwindeln zu 27,3 % aus Zellstoff, zu 37,8 % aus Superabsorber und zu 23,7 % aus Polypropylen.

Beim Zellstoff handelt es sich gemäß Umweltbundesamt um sogenannten Fluff Pulp, der insbesondere für die Aufnahme von Flüssigkeit im Saugkern verwendet wird. Der Fluff Pulp wird aus Nadelholz hergestellt und der Herstellungsprozess ist sehr energieintensiv. Für die Herstellung des Superabsorbers werden als Ausgangsstoffe Acrylsäure und Natronlauge verwendet. Informationen über den Energieaufwand liegen nicht vor, nur die Aussage, dass die negativen Umweltauswirkungen im Rahmen der Optimierung von Herstellprozessen in den letzten Jahren verringert wurden.

Wie starte ich mit Stoffwindeln?

Wer sich mit dem Thema Stoffwindeln beschäftigt merkt schnell, wie viele unterschiedliche Begrifflichkeiten es hier gibt. Das wirkt auf den ersten Blick sehr kompliziert. Im Wesentlichen gibt es ein-, zwei- und dreiteilige Stoffwinden.

Ich habe Melanie Blomeier, die die Stoffwindelberatung Ökopo* gegründet und über viele Jahre geleitet hat, gebeten uns einen Überblick über die verschiedenen Systeme zu geben:

All-in-one

Eine ALL-IN-ONE Windel ist das was einer Wegwerfwindel am nächsten kommt. Hier sind die Saugeinlage und der Nässeschutz, das ist der Außenteil aus PUL, miteinander vernäht. PUL steht für Polyurethanlaminat. Dieses Material wird bei den meisten Stoffwindeln als Nässeschutz verwendet und verhindert, dass etwas nach außen dringt. Diese Hülle ist atmungsaktiv und bei richtiger Pflege sehr langlebig. Der Vorteil ist, dass diese Windeln sehr einfach in der Handhabung sind. Nachteil: wenn die Waschmaschine nicht jeden Tag läuft, ist eine große Menge an Windeln notwendig um den Bedarf an frischen Windeln zu decken. Das wird dann schnell teuer.

Überhose und Einlage

Die Überhose besteht auch hier aus PUL und hält die Feuchtigkeit innen. Die Saugeinlage wird einfach reingelegt und ausgetauscht sobald sie schmutzig ist. Auch hier kann man selbst entscheiden welche Einlagen man nutzen möchte. Mullwindeln/Spucktücher, Prefolds oder andere Einlagen passen alle. Maximale Flexibilität und weniger Wäsche als bei anderen Systemen, da man wenig Überhosen benötigt und hauptsächlich die Einlagen waschen muss.

Zweiteilige Windeln

Die zweiteiligen Windeln (All-in-two) bestehen aus Überhose und Einlage. Hier gibt es verschiedene Varianten, wie die beiden Teile miteinander verbunden werden. Zum Beispiel mit Druckknöpfen (Snap-in-one), zum Reinschlüpfen, mit Laschen oder als „Pocket“ um die Saugeinlage einzustecken.

Der Vorteil ist, dass sich Überhose und Saugeinlage herstellerübergreifend kombinieren lassen und die Überhosen seltener gewaschen werden müssen. Nachteil: Diese Windelalternative erfordert etwas mehr Übung.

Dreiteilige Windeln

Die sogenannten All-in-three-Windeln besteht aus drei Teilen. Eine Saugeinlage innen, eine Wanne und eine Außenwindel. Die Wanne dient hier als Nässeschutz und besteht in den meisten Fällen aus PUL. Die Außenwindel hält die Wanne über vier Knöpfe. Wenn das Kind gepieselt hat muss nur die Saugeinlage gewechselt werden, die Wanne wird erst getauscht wenn sie schmutzig geworden ist oder anfängt zu riechen. Auch hier hat man also wenig Wäsche. Die Außenwindel wird am seltensten gewaschen.
Hier kann man selbst entscheiden welche Einlagen man nimmt. Einfache Mullwindeln/Spucktücher, Prefolds oder jede andere Einlage die euch gefällt.
Maximale Flexibilität also.

Der Vorteil ist, dass diese Alternative einfach zu handhaben ist und die Wäschemenge reduziert. Von Nachteil ist, dass man sich für Außen- und Innenwindel auf einen bestimmten Hersteller festlegen muss.

Windelfrei

Windelfrei bedeutet, wie der Name sagt, dass Babys keine Windeln tragen, sondern du erkennst, wann dein Baby mal muss und es „abhältst“. Dies ist natürlich der kostengünstigste und umweltfreundlichste Weg, erfordert aber mehr Ruhe und Zeit.

Wie starte ich mit „windelfrei“?

Schau dir doch mal das Video von Nicola Schmidt und Julia Dibbern an. Auf ihrem YouTube-Kanal findest du zahlreiche weitere Videos mit Tipps und Starthilfen.

Weitere Infos findest du hier.

Fazit

Das wichtigste ist, dass du für ein Konzept findest, das für dich funktioniert. Egal ob Stoff- oder Einwegwindeln, windelfrei oder eine Kombination aus verschiedenen Alternativen, der Umgang sollte sich für dich gut und natürlich anfühlen. Kinder groß ziehen ist kein Wettbewerb und je nach Lebensumstand hat man mal mehr und mal weniger Muse sich mit verschiedenen Themen auseinander zu setzen. Deshalb hoffe ich, dass dir die obenstehenden Informationen helfen, eine Entscheidung zu treffen, die für dich und deine Familie funktioniert.

*Die Stoffwindelberatung Ökopo in Stuttgart existiert seit 2024 leider nicht mehr.

Beitragsbild: iStock Photos

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