Website-Icon Blog Schwangerschaft und Baby

Eltern-Burnout: Wenn einem der Alltag zu viel wird

Eltern-Burn-out
Geschätzte Lesedauer: 6 Minuten

Burnout bei Müttern und Vätern wird immer mehr zum Thema. Der Spagat zwischen Familie und Beruf wird für viele Eltern zunehmend zur Belastung und Unterstützung zu bekommen ist oft gar nicht so leicht. Die Pandemie hat zusätzlich viele an ihre Grenzen getrieben. Hier erfahrt ihr, woran ihr erkennt, dass ihr Burnout-gefährdet seid und wo ihr euch Hilfe besorgen könnt.

Vor der Waschmaschine türmt sich ein unsortierter Berg Wäsche, Geschirr stapelt sich in der Küche, überall liegt Zeug rum. – Ein Zustand, dem man oft kaum noch Herr*in werden kann. Arbeiten, Hinterherräumen, aufräumen, Streit schlichten. Ein Kollege ruft an, muss noch dringend was loswerden. Gleichzeitig versucht man, das eine Kind anzuziehen, um dann gemeinsam den anderen Wirbelwind zum Sport zu fahren. Über Mental Load berichteten wir bereit.

Es ist ein täglicher Kampf zwischen Beruf und Familie. – Ein Knochenjob, der so manche Eltern an den Rande ihrer Belastungsgrenze führt. Viele Mütter und Väter haben das Gefühl, dem Alltag mit seiner endlosen Liste an Aufgaben nicht mehr gewachsen zu sein. Müssen sich diese Eltern besser organisieren und planen? Nein. Gerade ausgebrannte Eltern haben ein hohes Maß an Organisationstalent. Das haben sie sehr lange bewiesen und sich letztendlich daran erschöpft.

Foto: Pixabay

Wir leben in einer Zeit, in der es in den meisten Fällen nicht ausreicht, dass nur ein Elternteil arbeiten geht. Es braucht häufig zwei Gehälter, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sind in circa 4,2 Millionen Familien mit Kindern bis zu zwölf Jahren beide oder der alleinerziehende Elternteil berufstätig.


Medien und Influencer:innen in sozialen Netzwerken gaukeln und aber die ganze Zeit vor, dass es total easy ist, einen Ganztagsjob und Kind unter einen Hut zu bekommen. Und der Mensch neigt dazu sich zu vergleichen.
Junge und durchgestylte Muttis, die kein bisschen müde sind, erklären und wie locker flockig sie Nachwuchs und Karriere stemmen. Dabei achten sie selbstverständlich auf viel Sport, gesundes Essen und ausreichend Me-Time. Die Realität ist aber leider eine andere.

Psychologin Pilar Velazquez arbeitet seit 12 Jahren in der Mutter-Kind-Klinik Saarwald. Sie stellt einen starken Anstieg der Erschöpfungsdiagnosen fest. Die Ursache hierfür sieht sie bei der Fülle an Aufgaben, die Eltern heutzutage bewältigen müssen: „Die Betroffenen kümmern sich sehr gut um ihre Kinder und sind immer für sie da. Sie jonglieren Kinder, Haushalt, Arbeit und vergessen dabei sich selbst. Das macht der Körper so lange mit, bis seine Ressourcen verbraucht sind. Doch dann ist es zu spät,“ sagt Velazquez und erzählt, dass auch immer mehr Väter oder sogar komplette Familien in der Klinik Hilfe suchen. Vor etwa zehn Jahren erhielten circa 40 Prozent der Patienten eine Erschöpfungsdiagnose, aktuell sind es 90 Prozent.

Was hat sich verändert

Die Großfamilie, wie wir sie von früher kennen, mit Oma, Opa, Tanten und Onkels unter einem Dach, gibt es heute fast nicht mehr. Damals lebten alle zusammen, hielten zueinander und halfen sich gegenseitig. Ganz nach dem afrikanischen Sprichwort: „Es braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen.“

In unserer heutigen Gesellschaft prägen Kleinfamilien und Alleinerziehenden das Bild. Oft leben sie weit weg von ihrer Ursprungsfamilie und sind auf sich alleingestellt. Me-Time oder Zeit zu zweit mit dem Partner oder der Partnerin können sie an zwei Fingern abzählen. Hinzu kommt die große Vielfalt an möglichen Lebensformen und Wahlmöglichkeiten auf der einen Seite. Auf der anderen Seite überflutet uns die digitale Vernetzung permanent mit Informationen. Und da wäre wieder das Problem mit dem Vergleich. Wir werden zunehmend unsicher, ob wir als Mama oder Papa alles richtig macht, ob wir einen guten Job macht. Wollen es noch besser und wie die oder der machen.

Mütter am häufigsten von Erschöpfung betroffen

Eine Freundin sagte einmal zu mir: „Man lebt in einer gleichberechtigten Beziehung, dann kommt das Kind und man ist back in the 1950s.“ Leider kann ich ihr wenig widersprechen. Gerade mal ein Drittel der Mütter geht nach der Elternzeit wieder in ihren alten Vollzeitjob zurück. Immer noch sind es die Mütter, die den Großteil der Care-Arbeit leisten. Sie kümmern sich um Kind und Haushalt. Die Termine müssen koordiniert, die Kinder zu Verabredungen oder Trainings gebracht werden, Essen kochen, Haushalt machen und ein Geburtstagsgeschenk für den Kita-Freund kaufen. Wenn das Kind krank ist, dann ist es auch meistens die Mutter, die sich kümmert und zuhause bleibt oder das Kind früher von der Kita abholt.

Es sind viele Kleinigkeiten, die unausgesprochen, aber selbstverständlich sind, sich summieren und am Ende des Tages ein 14-Stunden-Job waren. Oft haben Mütter auch den Eindruck, dass ohne sie nichts läuft oder der Partner sich nicht gut genug kümmert. Daraus entsteht zusätzlich eine Art Leistungsdruck innerhalb der Partnerschaft. Die Frau fühlt sich unersetzlich und der Mann meint, sich vor seiner Partnerin beweisen zu müssen. Das ist vielleicht auch noch eine anerzogene Denkweise, dass sie als Mutter, als Frau gewisse Dinge besser kann oder machen muss.

Auf welche Burnout-Anzeichen sollte man achten?

Ein Burnout kündigt sich leise an und setzt sich, wie eine nach unten laufende Spirale fort. Oft beginnt es mit Müdigkeit. Nach einer schlechten Nacht fühlt man sich am Morgen gerädert und antriebslos. Dieser Zustand bleibt und man versucht, sich selbst Erklärungen dafür zu geben, spielt das Ganze runter. Immer öfter sind Betroffene nicht richtig bei der Sache oder das Erinnerungsvermögen leidet. Sie gehen in die Küche oder das Wohnzimmer und haben vergessen, was sie dort wollten. Viele betroffene Eltern reagieren gereizt und genervt auf ihr Kind, alles wird zu laut und man fühlt sich vollkommen reizüberflutet. Wenn man merkt, dass alles zu viel wird, sollte man dringend aufmerksam werden und die Notbremse ziehen.

An diesem Punkt braucht man eine Pause und vor allem Unterstützung. Diese Unterstützung kann der eigene Partner sein. Brené Brown, eine bekannte US-amerikanische Autorin psychologischer Werke, hat ein interessantes System mit ihrem Mann. Wenn die beiden sich nach der Arbeit treffen, teilen sie sich mit, wie viel Prozent sie heute als Vater, Mutter, Ehepartner:in geben können. Kann ein Teil nur 20 % geben, versucht der andere 80%. Haben beide nur 20% überlegen sie sich, wie sie den Tag dennoch ohne Komplikationen über die Bühne bringen. Vielleicht probiert ihr das mal aus. Die Idee dahinter ist einfach: Man stärkt sich in der Beziehung gegenseitig den Rücken und fängt sich gegenseitig auf.

Natürlich können auch Verwandte, ein Babysitter oder eine Putzhilfe einen entlasten. Wichtig ist, dass man bereit ist, Hilfe anzunehmen. Lässt man alles so weiter laufen, kommen Selbstzweifel und das Gefühl versagt zu haben dazu. Man wird streng gegenüber seinem Kind, aber auch mit sich selbst und pusht sich immer weiter vorwärts. Die Dinge werden wie automatisch erledigt, während man eigentlich schon längst neben sich steht. Betroffene versuchen nur noch, den Erwartungen von Außen gerecht zu werden. Traurigkeit und Ängste nehmen zu und letztendlich verliert man die Verbindung zu den Menschen, die einem wichtig sind – das eigene Kind. Die Spirale eines Burnout rutscht man leicht herab, oft ganz unbemerkt. Wieder rauf zukommen ist ohne Hilfe kaum zu schaffen.

Wenn einem alles egal wird, ist das die letzte Stufe eines Burnout. Spätestens das ist der Moment, wo man sich wirklich sehr dringen Hilfe holen muss. „Wenn der Körper keine Kräfte und Energie mehr mobilisieren kann, dann ist es zu spät“, mahnt Pilar Velazquez. Für die Psychologin steht ohnehin fest, dass Eltern endlich Unterstützung erfahren müssen. Sie hält es für unabdingbar, dass der Zugang zu Kuren vereinfacht wird und Familien mit Kindern regelmäßig eine solche bekommen. Denn am Ende ist es gut für die Familien, den Arbeitgeber und letztlich die ganze Gesellschaft.

Foto: Pixabay

Wie können Eltern einem Burnout vorbeugen?

Es ist wichtig, regelmäßig kleine Auszeiten einzubauen. Sei es ein Spaziergang allein, Zeit für Sport, ein entspannendes Bad oder ein fester Tag in der Woche, den man ganz für sich haben kann. Das ist oft einfacher gesagt als getan. Klar. Wenn kein mögliches Zeitfenster vorhanden zu sein scheint, solltet ihr offen mit eurem Umfeld sprechen und um Hilfe bitten. Oft kann, wie gesagt, schon der Partner unterstützen, die Großeltern oder Freunde.

Ist das Burnout weiter fortgeschritten, kann eine Kur sehr hilfreich sein, bei der ihr professionelle Unterstützung erfahrt. Auch vor einem Therapiegespräch solltet ihr nicht zurückschrecken, wenn es einem aus der Burnout-Spirale helfen kann. Auf keinen Fall aber solltet ihr euch mit anderen Eltern vergleichen. Die schöne, aufgeräumte Welt der Menschen in sozialen Netzwerken hat mit der Realität in der Regel nichts zu tun. Zudem hat jeder eine andere Geschichte und anderes Gepäck zu tragen. Ihr macht einen guten Job und es ist weder peinlich, noch ein Zeichen von Versagen, wenn man Unterstützung und Hilfe braucht.

Symptome eines Burnouts

Wichtiges

Hilfe für Eltern

Das Elterntelefon der „Nummer gegen Kummer“ ist ein bundesweites Gesprächs-, Beratungs- und Informationsangebot. Montag bis Freitag: 9 bis 17 Uhr, Dienstag und Donnerstag: bis 19 Uhr unter der kostenlosen bundesweit einheitlichen Rufnummer 0800 – 111 0 550 erreichbar.

Mutter-Kind-Kuren

Müttergenesungswerk, www.muettergenesungswerk.de

Podcast

Gemeinsam aus dem Mamsterrad
Imke Dohmen & Jufith Möhlenhof sprechen auf ihrem Blog und in ihrem Podcast über reale Hürden und Anstrengungen des Elternseins

Teilen:
Die mobile Version verlassen