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Baby-led Weaning

Baby-led Weaning
Geschätzte Lesedauer: 7 Minuten

Das Baby-led Weaning ist ein alternatives Ernährungskonzept, bei dem das Kind ohne den herkömmlichen Weg über Babybrei an feste Kost herangeführt wird. Es bestimmt dabei selbst, was und wie viel es von dem, was ihm angeboten wird, isst. Die Liste der Vorteile dieser Methode ist lang – es gibt aber auch Bedenken, mit denen sich interessierte Eltern ebenfalls beschäftigen sollten

Milcheis statt Babybrei

Unser erstes Kind kam in den 1980er-Jahren auf die Welt und wurde bis ins zweite Lebensjahr hinein gestillt, anfangs ausschließlich. Im sechsten Lebensmonat haben wir ihm die üblichen Babybreie angeboten, ohne Erfolg. An einem Wochenende kaufte ich mir ein Milcheis am Stiel mit Schokoladenglasur und aß es genüsslich. Unser Sohn roch das Eis und wollte es unbedingt probieren.

Das durfte er auch. Es schmeckte ihm, aber dann fiel ihm ein, dass er Hunger hatte, und er wechselte erst mal zu meiner Frau, um sich mit Muttermilch satt zu trinken. Ab diesem Tag probierte er immer mehr von unserem Essen, und irgendwann verstand er auch, dass nicht nur Muttermilch satt macht, sondern auch unser Essen vom Tisch. Diese Art, sich an feste Nahrung zu gewöhnen, war damals wenig bekannt und heißt heute „Baby-led Weaning“.

Das Baby darf bestimmen

Im Jahr 2008 veröffentlichte die britische Hebamme Gil Rapley zusammen mit der Journalistin Tracey Murkett ein Buch mit dem Titel „Baby-led Weaning“. Weaning bedeutet Entwöhnung; gemeint ist die Entwöhnung von Muttermilch oder Säuglingsmilchnahrung, also der Übergang von flüssiger auf überwiegend feste Nahrung.

Das zu diesem Zeitpunkt Neue dabei: Beim Baby-led Weaning wird dies mehr vom Säugling gesteuert als von den Eltern oder von vorgegebenen Plänen. Abhängig von seiner individuellen Entwicklung gewöhnt sich das Baby allmählich an das Essen vom Teller und braucht immer weniger flüssige Nahrung, ohne dass dabei spezielle Babynahrung wie Brei eingesetzt wird. Dabei geht es nicht darum, das Kind möglichst früh von Muttermilch oder Flaschennahrung zu entwöhnen, sondern den Übergang auf feste Nahrung individuell nach den Bedürfnissen und Fähigkeiten des Kindes zu steuern.

Wichtig: die richtige Nährstoffversorgung

In den ersten Lebensmonaten ist der Verdauungstrakt noch unreif und nicht dazu in der Lage, feste Nahrung zu verarbeiten. In dieser Zeit enthält Muttermilch – abhängig von der Ernährung der Mutter – fast alles, was das Baby braucht. Nur der Gehalt an Eisen, Fluorid, Vitamin D, Vitamin K und oft auch Jod ist nicht ausreichend. Bei speziellen Ernährungsformen kann es an weiteren Spurenelementen und Vitaminen mangeln, zum Beispiel an Vitamin B12 bei veganer Ernährung der Mutter ohne Substitution.

Während die Bedeutung der systemischen Fluoridzufuhr zur Kariesprävention immer noch umstritten ist, bekommen Kinder in Deutschland ein Vitamin-K-Präparat zum Schlucken bei den ersten drei Kinder-Vorsorgeuntersuchungen (U1 bis U3), um gefährliche Blutungen durch Gerinnungsstörungen zu verhindern.

Zudem Vitamin D als Tabletten oder Öl von der zweiten Lebenswoche bis zum zweiten erlebten Frühsommer, um einer Rachitis vorzubeugen – aber kein Eisen-Supplement (zumindest solange kein deutlicher Eisenmangel diagnostiziert wurde). Für die Bildung von rotem Blutfarbstoff, dem Hämoglobin, und Muskeleiweiß, dem Myoglobin, wird aber Eisen benötigt.

Während das Körpergewicht und entsprechend auch Blutmenge und Muskelmasse das Säuglings sich in den ersten vier bis fünf Lebensmonaten verdoppeln, aber über die Muttermilch kaum Eisen zugeführt wird, sind die Eisenvorräte, mit denen das Kind auf die Welt gekommen ist, gegen Ende des ersten Lebenshalbjahrs aufgebraucht.

Da Muttermilch kaum Eisen enthält, muss nun eisenhaltige Nahrung in Form von Getreide, Eiern und Fleisch zugeführt werden. Außerdem enthält Milch keine Ballaststoffe, die aber auf Dauer für ein gesundes Darm-Mikrobiom gebraucht werden. Sie binden Wasser im Darm und schützen somit vor Verstopfung.

Wann ist das Baby bereit für feste Nahrung?

Da passt es gut, dass die Mundmotorik sich bei den meisten Babys im Alter von vier bis sechs Monaten so entwickelt hat, dass sie nichtflüssige, weiche Nahrung verarbeiten kann. Mit einer großen Varianz brechen die ersten Zähne im Altersmedian von acht Monaten durch. Dann können auch festere Nahrungsbestandteile durch Kauen zerkleinert und schluckfähig gemacht werden.

Woran erkennt man aber nun, ob ein Baby bereits so weit entwickelt ist, dass man mit dem Zufüttern nichtflüssiger Nahrung beginnen kann? Nun, Kinder lernen durch Nachahmung und Neugier. Wenn man sie an den Familienmahlzeiten teilnehmen lässt, hören und sehen sie ihre Eltern und ggf. Geschwister essen und nehmen das Aussehen und den Geruch der Nahrungsmittel wahr.

Irgendwann zeigen sie Interesse daran, greifen nach der Nahrung auf dem Teller, spielen damit und stecken sie sich in den Mund. Sie lutschen oder kauen darauf herum und schlucken es dann herunter. Wenn die Atmosphäre angenehm und entspannt ist, schmeckt auch das Essen besser. Dabei sitzen die Kleinsten anfangs auf dem Schoß der Eltern, später dann im Hochstuhl mit am Tisch.

Nimmt man das Interesse des Kindes an einem Nahrungsmittel wahr, zerkleinert oder zerquetscht man dieses (zum Beispiel mit einer Gabel) und bietet es ihm mit dem Löffel an. Ist das Kind mundmotorisch noch nicht in der Lage ist, damit umzugehen, stößt es die feste Nahrung mit der Zunge wieder heraus. Kann das Baby jedoch zerkleinertes oder weiches Essen bereits mit Zunge, Kiefern und eventuell schon vorhandenen Zähne verarbeiten und schlucken, dann ist es reif für solche Nahrung.

Anfangs wird es dennoch nur wenig davon zu sich nehmen und sich dann wieder wie gewohnt mit Mutter- oder Flaschenmilch sättigen. Aber so langsam wird der feste Nahrungsanteil immer größer, und nach einer Weile merken die Kinder, dass diese Nahrung genauso satt macht wie ihre gewohnte Milch.

Dabei muss man nicht unbedingt einzelne Trinkmahlzeiten vollständig durch feste Nahrung ersetzen, bevor man mit der Umstellung der nächsten Mahlzeit beginnt, wie das in Ernährungsplänen für Babybreie dargestellt wird. Die Eltern können ihren Kindern zu jeder Mahlzeit zunächst geeignete Nahrung vom Tisch anbieten. Die Kinder essen dann so viel davon, wie sie schon vertragen können, und sättigen sich anschließend mit Milch, mit der Zeit aber immer weniger.

Vieles geht, manches aber nicht

Wenn Eltern sich für dieses Vorgehen entscheiden, müssen sie natürlich bei der Zubereitung der Nahrungsmittel einige Vorsichtsmaßnahmen beachten. Stücke von festeren Nahrungsmitteln, insbesondere in Erdnuss- bis Haselnussgröße, können in die Luftröhre geraten oder den Kehlkopf verlegen und so Aspiration und Erstickungsanfälle verursachen.

Aufgrund dieser Sorge hat der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V. (BVKJ) 2017 in einer Pressemeldung sogar vom Baby-led Weaning abgeraten. Es reicht aber aus, wenn Stücke in solcher Größe vermieden werden.

Babys haben außerdem eine geringere Salztoleranz als ältere Kinder und Erwachsene und vertragen noch keine scharfen Gewürze. Daher salzt und würzt man beim Kochen nur sehr wenig. Erst wenn man die geeigneten Nahrungsmittel und Mengen für das Baby abgeteilt hat, salzt und würzt man für die anderen Kinder leicht und für die Erwachsenen etwas kräftiger nach.

Dabei bietet man den Kindern zu den Mahlzeiten ungesüßte Getränke an, wie Wasser, am besten ohne Kohlensäure, und Tee. Sie dürfen aber selber entscheiden, ob sie Durst haben und davon etwas trinken wollen, und sollen nicht zum Trinken gedrängt werden. Diese Getränke und ihre Milch sollen sie nach dem ersten Lebensjahr nicht mehr aus der Flasche nuckeln, sondern aus einem Becher trinken. Anfangs brauchen sie dazu natürlich noch Hilfe.

Ältestes Konzept der Nahrungs-Gewöhnung

Evolutionsbiologisch betrachtet fand die Gewöhnung des Nachwuchses an feste Nahrung bei Tier und Mensch wohl schon immer so statt. In der Steinzeit haben die Jäger und Sammler ihre Kinder bei sich getragen. Wenn sie Nahrung fanden, haben sie den Kindern kleine Mengen angeboten. Teils mussten die Eltern ihren Kindern bestimmte Nahrungsmittel vielleicht vorkauen; stückchenlose Breie entstanden dabei aber sicher nicht.

Erst seit wenigen Jahrtausenden gibt es Zivilisationen mit festen Kochstellen zur Zubereitung von Nahrung. Frühestens im 17. bis 18. Jahrhundert wurde mit dem Kochen von Breien extra für Babys begonnen. Inzwischen hat sich eine ganze Industrie entwickelt, die spezielle Babynahrung herstellt.

Fachärzte für Kinder gibt es erst seit gut 100 Jahren; sie haben in dieser Zeit genaue Pläne zum Übergang vom vollen Stillen zur Beikost bzw. Breikost entwickelt. Viele Eltern haben das aber trotzdem, so wie wir, intuitiv anders gemacht, bevor es den Begriff „Baby-led Weaning gab – besonders bei Babys, die Säuglingsbreie abgelehnt haben.

Vorteile des Baby-led Weaning

Sobald das Baby auf dem Schoß sitzen kann, darf es gemeinsam mit der Familie am Tisch essen. Es muss nicht mehr gesondert gefüttert werden und zusehen, wie Eltern oder Geschwister etwas anderes essen. Die Nahrungsaufnahme wird als positiv und gleichberechtigt erlebt.

Essen bleibt etwas Freiwilliges. Das Kind isst niemandem zuliebe, Essen bedeutet keine Art von Aufmerksamkeit, sondern findet ganz natürlich und nach Bedarf statt. Negative Assoziationen gegenüber Gerichten und Nahrungsmitteln entstehen kaum. Dies beugt möglicherweise späteren Essstörungen vor.

Wer von Anfang an auf sein natürliches Sättigungsgefühl hören darf, der hat auch später kein erhöhtes Risiko, dieses zu ignorieren. Hunger ist nicht jeden Tag zu denselben Zeiten gleich groß, das wissen wir auch. Und keinesfalls entspricht das „satt sein” genau der Grammanzahl in der Beikosttabelle zum Breifüttern.

Baby-led Weaning stärkt also die Körperwahrnehmung und das Selbstvertrauen des Babys. Auch die Augen-Hand-Mund-Koordination wird durch das selbständige Greifen und Zum-Mund-Führen von Essen geschult.

Das frühe Kauen stückiger Nahrung trainiert die Kiefermuskulatur und die Zungenfertigkeit. Durch das frühe Training kann sich möglicherweise sogar die spätere Aspirationsgefahr verringern. Wahrscheinlich fördert es auch die normale Ausformung des Kiefers. Wenn das Kind noch keine Zähne im Mund hat, zerquetscht es die Nahrungsmittel zwischen den Kieferknochen, so gut es geht. Dafür dürfen die angebotenen Speisen nicht zu hart und die Stücke nicht zu groß sein.

Nicht zuletzt spart Baby-led Weaning auch Zeit und Geld, da das Zubereiten von Babybrei oder das Kaufen von Gläschen wegfällt.


Beikost-Start, Produkttipps und Rezepte

Im fünften oder sechsten Lebensmonat beginnt es bei den meisten Babys, dass sie sich dafür interessieren, was die Erwachsenen oder Geschwisterkinder essen. Dieser Zeitraum ist auch der Start für Beikost. Egal ob Babybrei oder Baby-led Weaning, wir haben ein paar Produkttipps und Rezepte um den Beikost-Start möglichst einfach zu gestalten.


Nachteile des Baby-led Weaning

Die fertige Babynahrung, die heute angeboten wird, ist so mit Spurenelementen und Vitaminen supplementiert und bezüglich der Zusammensetzung und dem Gehalt von Eiweiß, Kohlehydraten und Fetten so optimiert, dass der Bedarf des schnell wachsenden Säuglings sicher gedeckt wird.

Das ist bei Selbstherstellung von Babynahrung nicht so optimal möglich und gleichzeitig fehleranfällig. Ebenso kann dies nicht gesichert werden, wenn das Baby am Tisch mitisst. Werden jedoch für die Familie frische Nahrungsmittel gekauft und zu einer abwechslungsreichen Mischkost zubereitet, die viel Obst und Gemüse enthält, ist die Gefahr von Mangelerscheinungen in unserer Überflussgesellschaft geringer als die von Überernährung.

Wenn bei den Eltern jedoch das Wissen um gesunde Ernährung nicht ausreicht oder die familiären Ernährungsgewohnheiten gesundheitlich ungünstig sind, können beim mitessenden Baby durchaus Mangelerscheinungen oder auch Probleme durch zu hohe Zufuhr einzelner Nahrungsbestandteile und/oder zu hoher Nahrungsmengen auftreten. Das kann zum Beispiel zur Programmierung von Übergewicht und metabolischem Syndrom durch zu hohe Eiweiß- und Gesamtenergiezufuhr führen.

Kinder- und Jugendärzte äußern zudem die Befürchtung, dass durch die frühe Aufnahme stückiger Nahrung die Häufigkeit von Erstickungsunfällen durch Nahrungsmittelaspiration zunehmen könne. Dies ist aber nicht wissenschaftlich belegt. Andererseits könnte das frühe Umgehen mit stückiger Nahrung auch die Mundmotorik und Koordination so fördern, dass es seltener zu Aspirationsereignissen kommt. Diese Frage ist wissenschaftlich letztlich ungeklärt.

Natürlich sind Nüsse in den ersten drei Lebensjahren verboten; insbesondere Erdnüsse werden von Kleinkindern nicht selten aspiriert, geraten in die Bronchien und verursachen Lungenentzündungen. Bei dem Versuch der bronchoskopischen Entfernung zersplittern sie leicht in der Fasszange und verteilen sich dann tief in den kleinen Bronchien, wo sie kaum noch zu entfernen sind.

Fazit Baby-led Weaning

Das heute so genannte „Baby-led Weaning“ bedeutet nicht eine Beschleunigung der Entwöhnung von Muttermilch oder Flaschennahrung, sondern beschreibt einen vom Kind selbst mitbestimmten Übergang von ausschließlich flüssiger auf überwiegend feste Nahrung, selbstverständlich mit Unterstützung der Eltern. Das entspricht wahrscheinlich der natürlichen Entwicklung von Kindern, seit es Menschen gibt – nur der Name ist neu.

Die kontrollierte Einführung von speziell hergestellter Beikost nach Plan ab dem Ende des ersten Lebenshalbjahrs bis etwa zum ersten Geburtstag erlaubt eine optimierte Anpassung an den Bedarf des schnell wachsenden Babys. Allerdings darf man getrost annehmen, dass gesunde Kinder ihre Nahrungszufuhr bei entsprechend vielfältigem Angebot durchaus selbst bedarfsgerecht steuern können, ebenso wie ihre Trinkmenge.

Bei ungünstigen familiären Ernährungsgewohnheiten oder mangelnden Kenntnissen über eine gesunde Ernährung birgt das Mitessen bei Tisch jedoch größere Risiken als die Verwendung kontrolliert und optimiert hergestellter Säuglings-Beikost. Ob die frühe Aufnahme stückiger weicher Nahrung tatsächlich – wie befürchtet – das Aspirationsrisiko erhöht, ist bislang nicht wissenschaftlich belegt.

Beitragsbild: Adobe Stock

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